Montag, 18. August 2014

Das Montags-Interview mit Mascha Vassena!

Liebe Lesezeit-Leserinnen und -leser,

ich freue mich, Euch heute die Autorin Mascha Vassena vorstellen zu dürfen. Ihren neuen Roman "Das Schattenhaus" habe ich gerade förmlich verschlungen. Freut Euch auf ein Interview mit einer Autorin, die in der italienischsprachigen Schweiz lebt, Buchstabensuppe liebt und als Kind gerne Piratenkönig geworden wäre! Viel Spaß beim Lesen!


Informationen zur Autorin

Name: Mascha Vassena
Alter (gefühlt): 36
Wohnort: Schweiz




Wann hast du angefangen zu schreiben?
Mit neun oder zehn habe ich angefangen, kleine Geschichten und Gedichte aufzuschreiben. Meine Eltern haben das gefördert, indem sie meine Produktion heftig gelobt haben. Also habe ich weiter gemacht und bis heute nicht mehr damit aufgehört. Und über Lob freue ich mich immer noch. :-)

Und wolltest du schon immer schreiben?
Geschrieben habe ich ja schon fast immer. Aber was, hat sich im Lauf der Zeit sehr verändert. Als Teenager habe ich gerne Fantasy und SF gelesen und auch geschrieben, bis mir ein Freund der Familie einen Band mit Kurzprosa schenkte. Danach habe ich viele kurze, komprimierte Texte verfasst, um Stimmungen einzufangen, das waren sehr nützliche Fingerübungen. Später waren es Kurzgeschichten, dann Romane. Ich habe mich also innerhalb von 30 Jahren von der kleinen zur großen Form durchgearbeitet.

Was wolltest du als Kind werden?
Da muss ich keine Sekunde zögern: Piratenkapitän. Eigentlich würde mir das immer noch gut gefallen, natürlich ganz traditionell auf einem Dreimaster. Leider sind die Stellen sehr knapp, und ich brauche auch beide Hände zum Tippen.

Gibt es ein Leben vor dem Autorendasein?
Aber sicher! Wer nichts erlebt, hat auch nichts zu erzählen. Je mehr Erfahrungen man macht, gute und schlechte, umso voller wird der Tank, aus dem man schöpfen kann. Trotzdem war mein Leben fast immer mit Schreiben verbunden. Ich habe Kommunikationsdesign studiert, danach aber als freie Journalistin gearbeitet, bis ich ein erstes Literaturstipendium bekommen habe. Seitdem konzentriere ich mich auf Belletristik, arbeite aber auch als selbständige Kommunikationsdesignerin im Kulturbereich - ein gutes Gegengewicht zum Schreiben, weil ich da ganz andere Bereiche meines Gehirns benutzen kann.

Was inspiriert dich zu deinen Geschichten?
Das kann alles sein: eigene Beobachtung oder Erfahrung, Zeitungsartikel, Erzählungen anderer Leute, Fernsehsendungen. Oft verbinden sich Dinge, die vorher nicht zusammengehörten. Und manchmal kommt eine Idee aus heiterem Himmel, man streckt einfach die Hand aus und fängt sie auf.

Wie entstehen sie?
Viele, viele handschriftliche Notizen, Recherchen zu Lande, zu Wasser und im Internet, dann am Rechner mit einem Schreibprogramm (Scrivener). Das Schreiben an sich dauert gar nicht so lange, vier bis fünf Monate, aber dazu kommen drei Monate Vorarbeiten und zwei Monate Überarbeitungszeit, gefolgt von zwei Monaten Lektorat. Ein Jahr braucht es also für einen Roman, wobei sich die Phasen auch überschneiden.

Wie kam Dir die Idee zu deinem letzten Buch?
"Das Schattenhaus" ist inspiriert von dem alten Tessinerhaus, in das ich 2007 gezogen bin, und es spielt zum Teil in "meinem" Dorf. Ich habe mich da immer als Außenseiter gefühlt und es nicht geschafft, mich in die sehr verschlossene Dorfgemeinschaft zu integrieren. Dieses Gefühl, isoliert zu sein, findet sich in "Das Schattenhaus" wieder, allerdings mit einem positiven Dreh, denn meine Protagonistin wird von den Dorfbewohnern freundlich aufgenommen, so wie ich es mir auch gewünscht hätte. Ich bin übrigens nach fünf Jahren dort weggezogen.



Foto (c) Piper Verlag


Gibt es auch schon mal biografische Elemente?
Außer dem, was ich schon genannt habe, sind es im "Schattenhaus"  vor allem die Schauplätze, weil der Roman am Comer See und in der italienischsprachigen Schweiz spielt, wo ich seit zehn Jahren lebe. Ich mag den Gegensatz zwischen dem mediterranen Flair mit Palmen und Straßencafés am See und den dunklen, tiefen Wäldern auf den Bergen. Ein sehr reizvolles Setting für einen Roman.

Wo schreibst du und hast du feste Schreibzeiten?
Ich kann eigentlich überall schreiben, aber in meinem Büro geht es am besten, weil ich nicht so abgelenkt bin wie zu Hause. Am leichtesten schreibe ich vormittags,aber das schaffe ich nicht immer. Dann geht auch eine andere Tageszeit, nur abends bin ich zu müde. 

Was macht dir am meisten Spaß beim Schreiben?
Die Entwicklungsphase, wenn sich ein Puzzleteilchen ins andere fügt und ich selbst noch nicht weiß, wohin alles führen wird. Aber auch das Schreiben an sich ist großartig (in den guten Phasen), weil ich dann in die Atmosphäre der Geschichte eintauchen kann und mich fühle, als wäre ich mittendrin.

Kennst du Schreibblockaden und wenn ja, wie gehst du damit um?
Eine Blockade hatte ich noch nicht, aber manchmal geht es einfach nicht voran. Schreiben ist ja nicht nur Vergnügen, sondern oft mühsam und anstrengend, und dann fallen mir tausend andere Dinge ein, die ich dringend erledigen muss. 
Aber es gibt nur eine Art, einen Roman zu schreiben: sich hinzusetzen und es zu tun. Zum Glück gibt es Deadlines, sonst würde wohl kein Roman jemals fertig werden! ;-)

Wer sind deine ersten Probeleser?
Vertraute Kollegen, von denen ich eine ehrliche Antwort bekomme.

Wie wichtig sind Dir Rezensionen und Rankinglisten?
Lesermeinungen sind mir sehr wichtig, weil man als Autor ja nur selten direkt mit seinen Lesern in Kontakt kommt. Ich glaube, dass jeder Leser aus einem Buch etwas ganz Eigenes für sich heraus nimmt, und was das ist, interessiert mich natürlich. Deshalb mache ich auch gerne Leserunden.
Ich freue mich auch über eine gute Position auf Rankinglisten - die zeigt ja, dass die Leser das Buch mögen. Und man hofft natürlich auch, dass ein gutes Ranking auf gute Verkaufszahlen hindeutet.

Hast du selbst ein Lieblingsbuch, einen bevorzugten Autor?
Etliche, wie alle begeisterten Leser. Mein allerliebster Autor ist, glaube ich, Patrick Modiano, weil er extrem reduziert und zugleich unglaublich dicht schreiben kann und ein Meister darin ist, die Handlung in der Schwebe zu halten.
Mein liebstes Buch ist aber von einem anderen: Richard Hughes’ "Ein Sturmwind auf Jamaika". Darin landet eine Gruppe Kinder unversehens auf einem Piratenschiff und es passieren jede Menge ganz entsetzlicher Sachen. Es ist der lebendigste Roman, den ich kenne.

Welche Bücher liest du selbst?
Ich mag Geschichten, die handwerklich gut gemacht sind und mir etwas zeigen, das ich  noch nicht kenne oder mich etwas, das ich kenne, auf neue Weise sehen lassen. Auch Bücher mit ungewöhnlichen Settings lese ich gern, wobei das weniger exotische Länder sind als Mikrokosmen, die Außenstehenden normalerweise verschlossen bleiben.

Welches Genre bevorzugst du?
Düstere Familiengeheimnisse sind immer gut, aber ich mag auch Klassiker, Reiseliteratur, Jugendbücher und Künstlerbiografien. Literatur handelt von Beziehungen, und ob die nun zwischen Vampiren, auf dem Mars, im 16. Jahrhundert oder in einer Studenten-WG stattfinden, ist mir nicht so wichtig.

Welches wird dein nächstes Projekt sein oder ist es noch geheim?
An dem sitze ich gerade. Es geht wieder um Familiengeheimnisse  und spielt in Italien … Venezianischer Palazzo - mehr verrate ich nicht.:-)

Wird man dich auf der nächsten Buchmesse antreffen?
In Frankfurt aus terminlichen Gründen nicht, aber ich bin bestimmt nächstes Jahr in Leipzig. Ich liebe die Atmosphäre dort. Autoren, Verlagsleute und Agenten sind größtenteils entspannt, es gibt Autoren zum Anfassen (oder zumindest Angucken und Anhören) und natürlich die Cosplayer, die das Ganze ins Surreale kippen. Nachts wird gefeiert und nach der Messe sind alle erkältet. Ein herrlicher Wahnsinn!

Viele Autorinnen besitzen ein Haustier. Gibt es dafür eine Erklärung?
Da die meisten AutorInnen den ganzen Tag alleine am Schreibtisch sitzen, hilft ein Tier vielleicht, sich weniger einsam zu fühlen. Wenn ich in meiner Wohnung Tiere halten dürfte, hätte ich einen kleinen, weißen, wuscheligen Coton de Tulear. Zumindest stelle ich mir das so vor. In Wirklichkeit hätte ich wahrscheinlich nicht genug Zeit, mich gut um ein Tier zu kümmern.

Wie sieht dein Alltag aus?
Schlafen bis elf, Champagnerfrühstück im Bett, danach Fußmassage von meinem weit jüngeren Liebhaber … ;-) Schön wär’s! Tatsächlich eher so: Aufstehen um sieben, Arbeiten, Einkaufen, Kochen, Wäsche waschen, Freunde treffen, Sport (zu selten) und zu viel Zeit auf Facebook verplempern. Schön ist, dass ich meine Arbeitszeit frei gestalten kann und keinen Urlaubsantrag einreichen muss, wenn ich mal wegfahren will.

Nenn uns dein Lieblingsreiseziel.
Ein riesiges, uraltes Haus in Österreich, in dem sich einmal jährlich für zwei Wochen eine Gruppe für mich sehr wichtiger Menschen trifft.

Und welche Ecke dieses Erdballs möchtest du unbedingt einmal kennenlernen?
Japan. Ich glaube, das ist, als würde man einen anderen Planeten besuchen. Diese völlig andere Kultur mit ihren Gegensätzen fasziniert mich. Leider fliege ich, vorsichtig ausgedrückt, höchst ungern lange Strecken, aber irgendwann mache ich das trotzdem.

Dein Lieblingsgericht?
Buchstabensuppe. :-)

Welche Jahreszeit ist deine?
Sommer.

Hast du Wünsche für die Zukunft? Welche?
Besser nicht drüber reden, sonst wird nichts draus.

Wenn es irgendwie machbar wäre, würdest du auch mal nach Hagen kommen und Gast sein bei einer meiner Wohnzimmerlesungen?
Na klar! Wenn ich mal in der Nähe bin, komme ich sehr gerne vorbei.

Wie würdest du dich in einem Satz selbst beschreiben?
Kopf in den Wolken, Füße auf der Erde.



Liebe Mascha, herzlichen Dank für das Interview! Es hat mir sehr viel Spaß gemacht!

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