Montag, 6. Oktober 2014

Das Montags-Interview mit Peter Prange

Liebe Lesezeit-Leserinnen und -Leser,

heute darf ich Euch einen meiner Lieblingsautoren vorstellen. Ich liebe seine historischen Romane, mit denen ich in andere Welten, andere Zeiten eintauchen kann.

Ich wünsche Euch viel Spaß beim Lesen!


Informationen zum Autor

Name:Peter Prange
Alter:59
Wohnort:Tübingen
Familienstand:verheiratet




(c) Ullstein Bild - teutopress

Wann hast du angefangen zu schreiben?

Als Autor wurde ich am 19. August 1989 geboren, und zwar exakt um 21:45 Uhr. Am dem Tag machte das heute-Journal im ZDF mit den Bildern der DDR-Bürger auf, die in Ungarn durch den Zaun in Richtung Westen flüchteten, in die Freiheit. In diesem Moment hatte ich die Vision von einem Roman: Eine Familie kommt gegen Kriegsende irgendwo in Deutschland, wo der Krieg noch nicht zu spüren ist, zu einer Hochzeit zusammen, dann schlägt die Faust Gottes mit dem Zusammenbruch in dieses trügerische Idyll hinein, die Mitglieder der Familie werden auseinander gerissen und über ganz Deutschland verteilt und brauchen ein halbes Jahrhundert, um wieder zusammen zu finden – die Geschichte des geteilten und wieder vereinten Deutschlands am Beispiel einer Familie. Das war die Idee zu meinem Roman „Das Bernstein-Amulett“. Es dauerte zwar noch zehn Jahre, bis ich das Buch schrieb, doch dann hat es mein ganzes Leben von Grund auf verändert.   


Und wolltest du schon immer schreiben?

Während meiner Promotionszeit habe ich Dutzende von Büchern übersetzt, aus allen Sprachen, die ich nicht kann. Dabei habe ich gemerkt, wie viele schlechte Bücher es gibt – als Übersetzer ist man ja so dicht an einem Text wie sonst niemand. Damals war mein Credo: „Lieber übersetze ich gute Bücher, als dass ich selber schlechte schreibe.“ Dabei wäre es auch geblieben, wenn mir nicht die Idee zu dem „Bernstein-Amulett“ einen Strich durch die Rechnung gemacht hätte. Ich wusste, wenn ich nicht wenigstens versuchen würde, diesen Roman zu schreiben, würde ich das später einmal sehr bereuen. Das wollte ich nicht riskieren.


Was wolltest du als Kind werden?

Meine Eltern hatten ein Betten-Geschäft. „Sie können fragen, wen sie wollen, auf Betten-Prange ist Verlass“, so lautete unsere Werbung. Als kleiner Junge träumte ich davon, das Geschäft später fortzuführen, und begleitete meinen Vater schon ab dem siebten oder achten Lebensjahr bei der täglichen Auslieferung, bis zum Abitur. Mit der Nachfolge im Geschäft ist es nichts geworden, aber diese Lieferfahrten waren die beste Vorbereitung auf mein späteres Autorendasein. Wenn man mit Menschen in ihrem Schlafzimmer ist, öffnen sie sich einem in einer Weise, wie sonst vielleicht nur bei langen Zugfahrten oder früher bei Mitfahrgelegenheiten. Sie erzählen von ihren Hoffnungen und Wünschen, von ihren Ängsten und Befürchtungen, von ihren Gewohnheiten und Macken – kurz, von allem, was Geschichten interessant und erzählenswert macht.

Gibt es ein Leben außerhalb des Autorendasein?

Nicht wirklich. Schreiben ist wie das Leben selbst – daraus kann man zwar auch aussteigen, aber nur ein einziges Mal. Ein Autor ist darum immer „im Dienst“. Jede Begegnung, jedes Gespräch, jede Beobachtung, jede Empfindung – alles kann irgendwann mal bedeutsam für eine Geschichte werden, auch wenn sich dass manchmal erst nach Jahren oder Jahrzehnten zeigt.

Was inspiriert dich zu deinen Geschichten?

Ideen kann man weder herbei kommandieren noch sich erarbeiten. Vor allem nicht die Grundideen für einen Roman. Sie kommen immer dann über einen, wenn man am wenigsten mit ihnen rechnet. Beim Rasieren, beim Fernsehen, beim Warten an der Ladenkasse – weiß der Teufel oder der liebe Gott. Sind sie also Geschenke? Sicher, aber manchmal glaube ich auch – ein Fluch. Weil, jede solcher Grundideen bedeutet ein bis zwei Jahre Arbeit am Schreibtisch, und das ist nicht immer nur ein Zuckerlecken.


Wie kam Dir die Idee zu deinem letzten Buch?

Bei einem Gespräch in Wien. Ich war beschämt, wie wenig ich über Kaiser Maximilian I. von Habsburg wusste. Dabei ist er vermutlich eine der interessantesten Figuren der abendländischen Geschichte überhaupt: der letzte Ritter des Mittelalters – und zugleich der erste Kaiser der Neuzeit. Er hat nicht nur die geopolitische Gestalt des heutigen Europa maßgeblich geprägt und bereits vor über fünfhundert Jahren den Traum geträumt, von dem wir heute in Europa immer noch träumen: ein Leben in Frieden, Freiheit und Wohlstand. Darüber hinaus war er auch ein unglaublich interessanter Mensch, dessen überragendes Wesensmerkmal seine innere Widersprüchlichkeit war. Ein Mann, der auf dem Turnierplatz und in der Schlacht weder vor Gewalt noch Brutalität zurückscheute – und zugleich ein Schöngeist, der wie kein zweiter Herrscher die schönen Künste, Literatur und Philosophie gefördert hat. Ein Pracht- und ein Machtmensch zwischen zwei Frauen, die er beide mit der ganzen Kraft seines ungestümen Herzens liebte. Diesen Menschen wollte ich zu neuem Leben erwecken.




Gibt es auch schon mal biografische Elemente?

Ja, in jedem Buch, letztlich sogar in jeder Figur. Wenn ich meine Protagonisten nicht zumindest ein Stückweit in meiner eigenen Seele wieder finde, kann ich mich zu Tode recherchieren – sie werden immer Pappkameraden bleiben. Spiegeln sie sich aber in einem meiner Dämonen und Dämönchen wider, werden sie vital. So vital, dass sie manchmal das Kommando übernehmen. Nicht nur beim Schreiben, sondern bis ins eigene Leben hinein. Die „Himmelsdiebe“ zum Beispiel haben mir geholfen, mich aus einer ziemlich schweren Depression heraus zu schreiben. Nur in meinen Figuren, also schreibend, konnte ich damals noch so sein, wie ich vor der Depression gewesen war. Und das half mir, auch im wirklichen Leben wieder so zu werden. Wie Münchhausen, der sich bei den eigenen Haaren aus dem Sumpf zog.

Wo schreibst du und hast du feste Schreibzeiten?

Da ich von Natur aus ziemlich faul und chaotisch bin, habe ich mir ein sehr hohes Maß an Disziplin angewöhnt. Es hat keinen Sinn, morgens mit mir zu diskutieren, ob ich inspiriert bin oder nicht – ich würde garantiert am nächsten Tag immer inspirierter sein als an diesem. ;-) Also betrete ich jeden Morgen Punkt neun Uhr mein Arbeitszimmer, öffne weit das Fenster und bitte die Muse freundlich zu mir herein, damit sie mich küsst. Manchmal kommt sie und tut sie es, meistens nicht – aber nie kann sie behaupten, ich wäre nicht am Platz gewesen.


Was macht dir am meisten Spaß beim Schreiben?

Das Geschrieben-Haben. Das Schreiben selbst ist manchmal eine ziemliche Quälerei.


Kennst du Schreibblockaden und wenn ja, wie gehst du damit um?

Ja, ich kenne Schreibblockaden, leider. Bei meinem Roman „Der letzte Harem“ dauerte eine allein ein volles Vierteljahr. Es gab einen Knoten mitten in der Geschichte, den ich einfach nicht lösen konnte. Es war, als schriebe ich gegen eine Gummiwand. Jeden Morgen mit zitternden Händen an den Schreibtisch, aus Angst vor der inneren Leere, und jeden Abend wieder die paar Sätze gelöscht, die ich Buchstabe für Buchstabe im Laufe des Tages in den PC gehackt habe wie klemmende Fürze. Mein Agent Roman Hocke kam extra aus Rom, um mit mir in Klausur zu gehen. Doch auch die Gespräche mit ihm halfen nicht – der Knoten wollte einfach nicht platzen. Bis ich meinen Agenten wieder zurück nach Rom schickte, damit er mit mir nicht seine Zeit verplemperte. Auf dem Weg zum Flughafen rekapitulierte ich noch einmal mein Dilemma, beschrieb die Schwierigkeiten und fluchte über meine eigene Unfähigkeit. Es wäre doch so einfach, behauptete ich, eine Lösung zu finden, man müsste doch nur … Beim Fahren geriet ich ins Schwadronieren. Wie müsste die Geschichte laufen, damit sie funktioniert? Als wir am Flughafen ankamen, strahlte mein Agent: Ich glaube, jetzt hast du den Knoten durchschlagen. Wie bitte? Ich schaute ihn an, als wäre er übergeschnappt. Ich hatte gar nicht gemerkt, dass ich ihm gerade die fertige Story erzählt hatte. Warum war die Lösung mir plötzlich eingefallen? Ich glaube, einfach weil ich es aufgegeben hatte, sie zu erzwingen. 


Wer sind deine ersten Probeleser?

Meine Frau und mein Agent. Beide haben das wunderbare Talent, kritisieren zu können, ohne zu verletzen.

Wie wichtig sind Dir Rezensionen und Rankinglisten?

Nicht mehr so wichtig wie früher. Je mehr Bücher man geschrieben hat, desto nüchterner kann man einschätzen, was einem gelungen ist und was nicht. Doch auch jüngeren Kollegen würde ich raten, sich nicht verrückt machen zu lassen. Sicher, man soll sich der Beurteilung durch andere aussetzen, man kann eine Menge aus Rezensionen lernen, und materieller Erfolg, der sich nun mal in Rankinglisten äußert, ist verdammt wichtig, wenn man vom Schreiben lebt. Aber letztlich muss ein Autor auch den Mut haben, sich auf sein eigenes Urteil zu verlassen. Nur er selber kann wissen, ob er wirklich das Letzte aus einer Geschichte heraus geholt hat oder nicht. Das allerdings sollte immer das Ziel sein.


Hast du selbst ein Lieblingsbuch, einen bevorzugten Autor?

Thomas Mann, Die Buddenbrooks. Für mich der beste Roman, der je geschrieben wurde. Besser auch als Anna Karenina, den Thomas Mann selbst für den besten aller Romane hielt. Für mich ist es eines der größten Wunder der Literaturgeschichte, dass ein Mann von fünfundzwanzig Jahren einen solchen Roman schreiben konnte.


Welche Bücher haben dich geprägt? 

in der Reihenfolge der Lektüre, von ca. acht Jahren bis zum Abitur:

Sparkasse Altena, Mein erstes Sparbuch
Karl May, Durch die Wüste
Clemens Laar, Meines Vaters Pferde
Thomas Mann, Die Buddenbrooks
Ferdinand Sauerbruch, Das war mein Leben
Herman Wouk, Die Caine war ihr Schicksal
Hermann Hesse, Der Steppenwolf
Die Bibel
Fjodor M. Dostojewski, Die Brüder Karamasow
Guy de Maupassant, Bel-Ami


Welches Genre bevorzugst du?

Keines. Was mich grundsätzlich interessiert, sowohl als Autor wie als Leser, sind große Geschichten, in denen Menschen an die Grenzen des Menschenmöglichen gehen.

Welches wird dein nächstes Prokjekt sein oder ist es noch geheim?

Ein Roman über die Anfänge der Pariser Universität Sorbonne, im 13. Jahrhundert. Und danach ein Roman, der in meiner Heimatstadt Altena spielt, in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, und in dem ich sogar selber eine kleine Gastrolle habe.

Wird man dich auf der nächsten Buchmesse antreffen?

Klar, zur Messe kommt ja mein neuester Roman raus: „Ich, Maximilian, Kaiser der Welt.“ Darum werde ich von Donnerstag bis Samstag auch oft am Stand der Fischer Verlagsgruppe sein, in der das Buch erscheint (Halle 3.1).

Viele AutorInnen besitzen ein Haustier. Gibt es da dafür eine Erklärung?

Vermutlich, weil wir alle einen Vogel haben ;-) Ich selber habe einen besonders großen. Darum hatte ich bis vor ein paar Jahren ein eigenes Pferd, das ich täglich ritt. Bis mein Rücken nicht mehr mitmachte. Jetzt reite ich nur noch meinen Bürostuhl. 

Wie sieht dein Alltag aus?

Viel langweiliger als meine Bücher.

Nenn uns dein Lieblingsreiseziel!

Der dunkelste Winkel meiner Seele. 

Und welche Ecke dieses Erdballs möchtest du unbedingt einmal kennenlernen?

Ich reise in meinen Geschichten seit nun fünfzehn Jahren quer durch alle Länder Europas. Dabei erlebe ich so großartige Abenteuer, dass ich von der Wirklichkeit meistens eher enttäuscht bin. Mir reicht das Freibad zum Verreisen.

Dein Lieblingsgericht?

"Fleisch ist mein Gemüse“ - um den großartigen Titel eines Buches zu zitieren, das ich nicht gelesen habe.

Welche Jahreszeit ist deine?

Einmal rief mich meine Mutter mitten bei der Arbeit an. Sie wollte wissen, was für ein Wetter in Tübingen ist. Ich erzählte ihr, wie grau der Himmel sei und dass es fürchterlich regnete. Mein Frau hörte das Gespräch und wunderte sich – draußen schien nämlich die Sonne. - Kurz: Meine Jahreszeit ist immer die, die gerade in meiner Geschichte herrscht.

Hast du Wünsche für die Zukunft? Welche?

Als Autor einen sehr konkreten: Mein Lebensziel ist eine Dekalogie - tausend Jahre europäische Kultur- und Geistesgeschichte in zehn historischen Romanen. Drei Romane muss ich noch schreiben, dann kann ich beruhigt sterben. 

Wenn es irgendwie machbar wäre, würdest du auch mal nach Hagen kommen und Gast sein bei einer meiner Wohnzimmerlesungen?

Gerne. Vielleicht schon in ein paar Wochen? Am 31. Oktober habe ich eine Lesung in meiner Heimatstadt Altena. Das ließe sich doch verbinden. 

Wie würdest du dich in einem Satz selbst beschreiben?
Schüchtern UND größenwahnsinnig.




Lieber Peter, herzlichen Dank für dieses wunderbare Interview! Mit der Wohnzimmerlesung wird es im Oktober leider nichts werden, aber ich versuche es, nächstes Jahr hinzubekommen. Ich bleibe dran!

Und wenn Ihr noch mehr über Peter Prange erfahren wollt, dann schaut doch mal hier:

www.peterprange.de


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